Montag, 30. März 2015

Påskekrim – Norges femte årstid / Osterkrimi – Norwegens fünfte Jahreszeit

Nachdem ich es ja verschlafen habe euch über norwegische Weihnachtsbräuche aufzuklären (wird spätestens kommendes Weihnachten nachgeholt) will ich Ostern nicht versäumen und fange mit der einzig wahren wirklichen und wichtigsten Ostersitte hier in Norwegen an:

Dem Osterkrimi

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Påsken = Ostern
En krim / Krimen = ein Krimi / Der Krimi

Für die Norweger ist Ostern fast wichtiger als Weihnachten und mindestens genauso wichtig wie DER Ferienmonat Juli – und sie verbringen Ostern auch ähnlich wie letzteren.
Sie fahren weg.
Die ganze Zeit.
ALLE

Die meisten fahren auf ihre Hytta (oder auf die Hytta von Freunden) zum Skifahren oder man wandert im Rahmen des Norwegischen Touristenvereins von Hytta zu Hytta.
Wer sich das nicht leisten kann, nicht rechtzeitig gebucht hat oder keine Hytta hat der fliegt in den „Syden“.

Exkurs „Syden“:
„Süden“ bedeutet auf norwegisch „Sør“.
„Syden“ dagegen bedeutet nicht einfach, dass man nach „Süden“ (norwegisch: „sørover“ ← südwärts) reist, nein, „Syden“ ist ein Reisekonzept das wenn man es genau nimmt genauso wie das deutsche „in den Süden“ funktioniert.
Damit ist gemeint an einen südeuropäischen Mittelmeerstrand zu fahren.
Weder Südnorwegen noch Malaysia, Südafrika etc. sind „Syden“ obwohl sie im Süden liegen und Strandzugang haben. Und auch so was wie Marokko ist NICHT „Syden“.
Es MUSS eine südeuropäische Mittelmeerküste sein.

Und weil sich das „nur“ übers Osterwochenende nicht lohnt (oder weil man mehr als einen Krimi lesen will) dauern die norwegischen Osterfeiertage von Gründonnerstag durchgehend bis Ostermontag.
Aber da auch das nicht reicht haben viel Behörden und Ämter, Restaurants, öffentliche Einrichtungen, Schulen, Geschäfte etc. seit heute also seit Montag VOR Ostern zu.
Auch die Folkeuniversitet weswegen ich Zeit habe diesen Blogeintrag zu schreiben.
Jedenfalls, wir erinnern uns, das norwegische We beginnt Donnerstag Abend, macht das Summa Sumarum vom Freitag vor Palmsonntag bis Ostermontag 11 mögliche und zumindest 5 definitiv sichere Tage Ferien für jeden Norweger.
Und hier ist die Parallele zum Ferienmonat Juli: ALLE nutzen diese freien Tage und sind weg.
Alles was zumachen kann schließt am besten die ganzen 11 Tage und alle die wegfahren können tun es auch.

Und damit zurück zum Osterkrimi.
Auf den norwegischen Hütten gibt’s nicht oft Strom, niemals TV und selten Zeitung etc. Die Norweger fahren auf ihre Hütten um NIEMAND zu sehen und so allein und abgeschieden wie möglich zu sein.
Jetzt hockt man da aber abends nachdem man sich sportlich betätigt hat mit der ganzen Familie zusammen und allen ist natürlich langweilig (und die Kids quengeln potentiell).
Was tut man?
Richtig, man liest, gibt zu lesen, liest vor.
Aber nicht irgendwas, nein, man liest Krimi.

In der stillen Abgeschiedenheit der norwegischen Felsen („Fjellet“), ohne Handyempfang, W-Lan, TV oder gar normales Telefon, am besten noch eingeschneit nur mit einer Kerze (eine Kerze, nein HUNDERT Teelichter) liest der gemeine Norweger am liebsten über Mord und Totschlag.
Je blutiger und grusliger desto besser.
Und wahrscheinlich will man auch an den Stränden des Sydens die lärmenden Kids nicht mehr hören und statt ihnen selbst den Hals umzudrehen versenkt man sich lieber zwischen die Zeilen und lässt andere das blutige Werk tun.

Das beeinflusst natürlich auch den Buchmarkt.
Hierzu muss man unter anderem wissen,l, dass es in Norwegen keine Buchpreisbindung und eigentlich auch keine kleinen Buchläden gibt.
Der Markt und damit auch der Preis wird von einigen großen Buchhandelsketten beherrscht – gnadenlos wie der Ostermörder selbst.
Nu erschrickt der (angehende) deutsche Autor und fragt sich, wie man so jemals die Chance haben soll, von seinem Werk zu leben wenn sich die Buchläden gegenseitig unterbieten.
Keine Sorge, erstens tun sie das nicht so sehr, Bücher sind schweineteuer... und zweitens hilft der norwegische Staat dem Künstler.
Der norwegische Staat kauft von jedem veröffentlichten Buch mindestens 1000 Exemplare (je nach Buch) für Bibliotheken, Schulen etc.

Wie dem auch sein, der Buchmarkt ist natürlich ganz auf Ostern eingestellt und schon ab Mitte Februar kann man gefühlt kaum noch was anderes gedrucktes kaufen als Krimis.
Und nur die Krimiautoren sind wirklich gute Krimiautoren die jedes Jahr pünktlich kurz vor Ostern ihr neuestes Werk auf den Markt werfen.
Die beste Zeit einen Krimi zu veröffentlichen ist vor Ostern und wenn du nicht rechtzeitig fertig wirst lieber Autor, so wartest du besser noch ein dreiviertel Jahr bis zum nächsten Osterfest mit der Veröffentlichung.
Ich persönlich glaube zwar, dass man auch gut im Herbst Krimis veröffentlichen kann so viel wie die Norweger davon verschlingen, aber wenn man das Machwerk vor Ostern veröffentlicht wird es garantiert gekauft, egal wie schlecht es ist.
Denn selbst ein schlechter Krimi ist besser als endlos langweilige Hüttenabende.

Und zumindest die Stadt Oslo tut noch ein bisschen mehr um den Osterkrimi zu pushen und veranstaltet jedes Jahr kurz vor Ostern ein mehrtägiges Krimifestival wo massenhaft skandinavische Krimiautoren die Chance haben, ihre Neuveröffentlichungen vorzustellen.
(Muss mich mal schlau machen ob das in anderen Städten auch so ist)

Ich vermute hier anhand der Masse an schwedischen Krimiautoren auf dem Festival und in den Geschäftsauslagen, dass die Schweden ähnliche (Oster-)Krimivorlieben haben – oder nur die norwegische Marktlücke erkannt haben.
Schwedenspass, Meinungen dazu?

Der berühmteste der norwegischen Krimiautoren scheint – zumindest den Auslagen der Buchgeschäfte nach zu urteilen - Jo Nesbø zu sein.
Und weil ich eine gute angehende Norwegerin bin, auf den Bergenstest lernen muss (und wie lernt man eine Sprache besser als durch lesen?) und wir tatsächlich überlegen zwei/drei Tage wegzufahren hab ich mir auch ein Werk des guten Mannes gekauft.

Tadaaa, mein Påskekrim, bin gespannt.

 photo P1150488_zpso632maeq.jpg

Jo Nesbø: Hodejegerne (zu Deutsch: Kopfjäger <- im Sinne von Personalberater / Headhunter)
Ich hoffe ich finde den Krimi spannender als Scott und Sunny

Und nur der Vollständigkeit halber:
Die Osterkrimisucht geht natürlich über Bücher hinaus.
Das Fernsehprogramm ist voll von extra für Ostern produzierten Krimiserien und -filmen für die, die nicht auf die Hytta können oder zu faul zum lesen sind... es gibt Krimis in Zeitungen, auf Müslipackungen, auf Milchpackungen, im Radio...
Schwedenspass - 30. Mär, 20:17

Osterkrimi in Schweden

Liebe Fermina,

Es gibt tatsächlich Parallelen zum Nachbarland. Zwar sind die nicht so speziell und flüchten über Ostern auch nicht scharenweise aus den Städten (immerhin ist es nicht mehr lange bis Valborg, da muss man seine Energie einteilen). Allerdings gibt es in Schweden vor Ostern den bokrea, ein Frühjahrs-Buchausverkauf. Für diesen werden auch extra Bücher veröffentlicht, die dann billig verkauft werden. Da gibt es aber keinen Schwerpunkt auf Krimi..

Viel Spaß beim lesen!

FerminaDaza - 30. Mär, 21:43

Tusen takk
:-)
Und danke für Deine Hilfe in Sachen "Skandinavier beobachten und verstehen". :-)

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